Unterabschnitte

Die $q^2$-Abhängigkeit der Kopplungskonstanten


Die QED-Kopplungskonstante $\alpha $

In der Quantenfeldtheorie ist ein Elektron nicht nur ein 'nacktes' Elektron, sondern ist von einer Wolke von virtuellen Teilchen (Photonen und Elektron-Positron-Paare, bei höheren Energien auch andere Fermion-Antifermion-Paare) umgeben (Vakuumpolarisation), die es ständig emittiert und wieder absorbiert.

Diese schirmen die negative Ladung des nackten Elektrons ab: in unmittelbarer Nähe der nackten Ladung werden die Elektron-Positron-Paare polarisiert, d.h., die virtuellen Positronen werden angezogen und die virtuellen Elektronen abgestoßen. Die nackte Ladung wird dadurch zum Teil kompensiert und in größerer Entfernung misst man nur noch die Differenz zwischen der nackten Ladung und der Gesamtladung der virtuellen Positronen (bzw. Antileptonen , u-, $\bar{d}$-, $\bar{s}$-, c-, $\bar{b}$- und t-Quarks je nach Energie). Die Messung der Testladung hängt also vom Abstand ab. Wenn man sich dem Elektron nähert, durchdringt man die Positronwolke, die die Elektronladung abschirmt .

Abbildung: Die $q^2$-Abhängigkeit der Kopplungskonstanten
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Dieser Effekt wird als Ladungsabschirmung (screening) bezeichnet.

In der QED lässt sich dieser Effekt sehr genau berechnen. Die Masse und die Ladung des nackten punktförmigen Elektrons sind durch die Theorie nicht eindeutig festgelegt. Nur die Masse und Ladung des Elektrons und der virtuellen Teilchen gemeinsam lassen sich messen, z.B. durch die Streuung eines Elektrons an einem Elektron, und müssen in allen Stadien der Rechnung endliche Werte haben.

Die Berechnung im Rahmen der QED führt zu folgender Form :

  $\displaystyle \alpha_{eff}(q^2) = \frac{\alpha_0}{1-\alpha_0 B(q^2)}
$ (12.1)


mit $q^2$ = Impulsübertrag zum Quadrat auf das virtuelle (raumartige) Photon und $\alpha_0 = \frac{e^2_0}{4}$ Kopplung der nackten Elektron-Ladung.

Die explizite Form von $B(q^2)$ enthält Divergenzen, die man mit einer Prozedur behandelt, die man Renormierung nennt. Dazu definiert man eine experimentelle elektrische Kopplung $\alpha $ durch das Verhalten des elektrischen Potentials bei großen Distanzen (Thomson Limit):

  $\displaystyle \alpha = \alpha_{eff}(q^2 = 0) \cong 1/137
$ (12.2)

Damit erhält man

  $\displaystyle \alpha_{QED}(q^2) \equiv \alpha_{eff}(q^2) = \frac{\alpha}{1-\frac{\alpha}{3\pi}\sum_f Q_f^2N_c^f
(\ln\frac{q^2}{m_f^2}-\frac{5}{3})}~~~,
$ (12.3)
wobei $N_c^f$ der Farbfaktor ist, $\alpha=\alpha_{QED}(0)\cong 1/137$, $Q_f$ die Ladung und $m_f$ die Masse der Fermionen, wobei über alle Fermionen summiert wird, die bei der entsprechenden Energie in Paaren erzeugt werden können.


Die QCD-Kopplungskonstante $\alpha _s$

Die Theorie der starken Wechselwirkung (QCD) ist wie die QED eine Eichtheorie . Die Quanten der Farbfelder heißen Gluonen. Es gibt acht Gluonen, die alle die Masse Null und den Spin 1 haben. Sie sind wie das Photon masselose, elektrisch neutrale Vektor-Bosonen, aber jedes von ihnen trägt eine Farbe und eine Antifarbe. Deshalb können sie, im Gegensatz zu Photonen, die keine elektrische Ladung tragen, miteinander wechselwirken. Solche Theorien, in denen die Feldquanten miteinander wechselwirken können, nennt man nicht-Abelsche Theorien, weil die zugehörige Eichgruppe nicht kommutativ (abelsch) ist.

Dieselbe Überlegung wie für die elektrische Ladung in der QED kann man auch für die Farbladung in der QCD anstellen: Wie das Elektron ist auch ein Quark von einer Wolke virtueller Teilchen umgeben, und zwar von Gluonen und Quark-Antiquark-Paaren. Die Farbladung eines Quarks (z.B. rot) wird durch die Farbladungen der Quark-Antiquark-Paare in der Wolke teilweise kompensiert. Anders als die elektrisch neutralen virtuellen Photonen in der Umgebung eines Elektrons haben die virtuellen Gluonen in der Umgebung eines Quarks ihre eigenen Farbladungen und können daher in Paare von Gluonen übergehen (Selbstkopplung).

Als (nicht unmittelbar einsichtige) Folge dieser zusätzlichen Beiträge wird im Falle der QCD die Farbladung des Quarks nicht abgeschirmt, sondern erhöht (antiscreening).

Die Berechnung der Kopplungskonstanten in der QCD ist sehr schwierig: Deshalb wird hier die effektive Kopplungskonstante der starken Wechselwirkung nur unter Berücksichtigung von Diagrammen erster Ordnung angegeben :

  $\displaystyle \alpha_s(q^2) = \frac{12\pi}{(33-2n_f)
log (q^2/\Lambda^2)}~~~;
$ (12.4)

dabei ist $\Lambda$ eine von der Theorie eingeführte Massenskala.

Wie man aus der Gleichung sieht, wird, im Gegensatz zu dem Verhalten der Kopplungskonstanten der QED, für $2 N_f < 33$, d.h. sofern es weniger als siebzehn verschiedene Quark-Typen gibt (bisher sind nur sechs nachgewiesen), $\alpha _s$ also bei größerer Annäherung (hohem $q^2$) immer kleiner (Asymptotische Freiheit) und die Wechselwirkung kann mit Hilfe der Störungstheorie berechnet werden. Bei kleinen $q^2$ (großen Distanzen) wird $\alpha_s(q^2)$ so groß, dass die Quarks innerhalb der Hadronen eingesperrt (confinement) und nicht als freie Teilchen beobachtbar sind.